Freie Fahrt für freie …


Kapitän*innen!!!

Nun ist es ja nichts Neues, dass manche Menschen meinen, von allem sehr viel mehr zu brauchen, als selbst bei grosszügigster Auslegung nötig wäre (mindestens mehr jedenfalls als die Nachbarn, möchte man meinen ;-)) ) – warum auch immer, sei ’s d’rum.

Heutzutage aber ist das mit Dingen, die die Umwelt nicht nur über Gebühr, sondern letztlich unnötigerweise und weit über Gebühr belasten, so eine Sache. Im Grunde ist es schlicht nicht mehr zu verantworten, dass tonnenschwere Autos mit mehreren hundert PS resp. „Systemleistung“ – der Grössen- und Leistungswahn muss offenbar auch in der Elektromobilität gepflegt werden können – in verkehrsüberlasteten Städten und auf geschwindigkeitsbegrenzten Strassen herumröhren. Oder im Extremfall: einfach nur Krach machen, Benzin verbrennen, auffallen und angeben wollen – in der Hoffnung, dann sei man wer; Stichwort Autoposer. In letzter Zeit wird denn auch gezielter und zunehmend konsequenter gegen dieses spätpubertäre Gehabe vorgegangen. Gut so.

Weniger Aufmerksamkeit wird bis jetzt dem Treiben auf dem Wasser geschenkt. Da gibt es – analog zu den Autoposern – auch Schiffs-Poser, doch doch, dieser Begriff trifft ’s wohl am ehesten.

Da wird mit für hiesige Binnengewässer völlig übermotorisierten (… und auch sonst reichlich überdimensionierten, aber das ist natürlich Ansichtssache…) Schiffen herumgerast und geröhrt, was das Zeug hält. Nicht selten offensichtlich und im wahrsten Sinn des Wortes Ziel-los. Seen als Vergnügungspark und Remedium gegen den Frust auf geschwindigkeitsbegrenzten und zugestauten Autobahnen?

Während in vielen europäischen Ländern seit Jahren, ja Jahrzehnten, auf fast allen Gewässern Geschwindigkeitsbegrenzungen bestehen oder private Motorboote gar gänzlich von der Wasserfläche verbannt sind, dürfen sich die Schiffs-Poser hierzulande ohne Hemmungen austoben und die Vmax aus ihrem Schiff herauskitzeln. Unschöner Nebeneffekt: Das Respektieren der Uferzonen oder nur schon lokale Geschwindigkeitsbegrenzungen werden offenbar als Empfehlung betrachtet oder, wenn überhaupt, werden die ignoranten Übertretungen vielleicht noch als Kavaliersdelikt betrachtet; manchen dieser Poser scheinen die Regeln des Schiffsverkehrs offensichtlich völlig egal zu sein (denn kennen müssten sie sie als Schiffsführer*innen eigentlich): die Wahrscheinlichkeit, bei Verstössen zur Rechenschaft gezogen zu werden, ist ja verschwindend klein.
Von den Folgen dieses rücksichtlosen Verhaltens dieser Poser für Anwohner*innen: ja, Wasser trägt den Schall buchstäblich kilometerweit – und für Flora und Fauna: ja, die Heckwellen laufen unvermindert auch in die Ufergürtel – einmal abgesehen: manche dieser Schiffe verbrauchen 100 L Treibstoff und teils deutlich mehr. Pro Stunde! Angesichts der Klimakrise schlicht ein no go!

Anachronismus der besonderen Art…

Auf Strasse und Schiene – nicht nur den Seen entlang – bemüht man sich nach Kräften um Lärmschutz; Schallschutzwände werden gebaut, Geschwindigkeitsbegrenzungen gesetzt und Verkehrsberuhigungsmassnahmen ergriffen.

Und ein paar Meter weiter darf mit grossvolumigen Verbrennern nach Herzenslust herumgerast werden.

Politisch scheint dieses Thema in der Schweiz von keiner Partei allerdings als ergiebig genug eingeschätzt zu werden, um es zu problematisieren. Bloss nicht als Spassbremse verdächtigt werden…

Man müsste sich ernsthaft überlegen, grosse touristische Werbekampagnen in Europa zu schalten: Zielgruppe „Schiffs-Poser“ – „Kommt auf die Schweizer Seen – hier könnt ihr noch nach Lust und Laune herumrasen!“
Das wär‘ doch noch eine Werbe-Nische z.B. für Schweiz Tourismus: Zahlungskräftige Kundschaft mit dicken Schiffen und ebensolchen Portemonnaies ins Land holen (man muss sich die Schweiz schliesslich leisten können). Die Wasserflächen stärker kommerziell nutzen und sie nicht als Naturmuseum brachliegen lassen. Spass und Fun für Gutbetuchte, coûte que coûte!
Denken Sie nur an Sawiris‘ Projektideen mit gleich zwei neuen Marinas in Isleten und Flüelen1 am Vierwaldstättersee.

Und wenn die Kampagne dann erfolgreich ist und der Freizeitpark langsam zu kollabieren droht – ja dann dürften sich endlich auch gewichtigere Interessengruppen formieren, um diesen Unfug, um nicht zu sagen Schwachsinn, zu bremsen… und dann vielleicht auch politische Unterstützung erhalten – vielleicht wären ja eine paar Wähler*innen zu gewinnen. [Ironie: off]


1 Taktisch ein kluger Schachzug von Sawiris, wie ich finde, gleich zwei neue Marinas zu planen. Dann kann er besser auf einen gutschweizerischen Kompromiss hinarbeiten, z.B. auf die in Flüelen wenn nötig grosszügig verzichten und dafür diejenige in Isleten durchzusetzen versuchen. Ich stelle mir durchaus mit einem Schmunzeln vor, wie idyllisch die kleinen Ruder- und Fischerböötchen – alle mit Elektromotoren – auf den Liegeplätzen der (Privat-)Marina des zu schaffenden Luxus-Ressorts vor sich hindümpeln.